Kleine Paradiese
Krippen und Klosterarbeiten
Diesen Winter würdigt das Schloss Greyerz eine einzigartige Tradition, indem es Arbeiten präsentiert, die in Freiburger Klöstern zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert mit grösster Sorgfalt geschaffen wurden.
Die ausgestellten «kleinen Paradiese» sind Glaskästchen, welche die Nonnen mit religiösen Kompositionen aus verschiedensten Materialien füllten. Aus bedruckten Papierresten, Bändern, Wachs, Wolle und kleinen Stoffblumen fertigten sie Figuren an, die sie in einen erlesenen, farbenprächtigen Dekor setzten.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen Szenen der Geburt Christi. Daneben sind weitere bemerkenswerte Arbeiten zu sehen, wie private Andachtsbilder, Reliquiare oder Selbstbildnisse, welche die Ordensfrauen ihren Familien schickten. Alle Stücke zeugen von der aussergewöhnlichen Kunstfertigkeit, die zu ihrer Herstellung erforderlich war.
Kuratoren
Filipe Dos Santos et Marie Rochel
Vernissage
Freitag 27. November, um 18 Uhr
Eine einzigartige Tradition
Die "kleinen Paradiese", auch Paradiesgärtlein oder Andachtskästchen genannt, gehen auf die Zeit der Gegenreformation zurück. Als Reaktion auf den Protestantismus pflegte und intensivierte die katholische Kirche in ganz Europa den Heiligen-, Reliquien- und Bilderkult. Der von den Protestanten scharf kritisierte Brauch sakraler Darstellungen wurde so in praktischer Frömmigkeit gefestigt.
Die Klöster entwickelten eine Produktion von Objekten und Bildern für den privaten Gebrauch, darunter auch die Paradiesgärtlein. In diese Kästchen aus Glas, Holz und Pappe setzten die Schwestern Andachtsszenen aus sorgfältig bearbeiteten, empfindlichen Materialien. Sie stützten sich dabei auf eine von Mystik geprägte Bildwelt, die von den religiösen Instanzen festgelegt worden war, nahmen sich aber die Freiheit, die Motive oder den Dekor je nach den verfügbaren Materialien oder ihrer eigenen Geschicklichkeit zu variieren.
Diese Tätigkeit, die insbesondere in burgundischen und südfranzösischen Klöstern anzutreffen war, wurde in den Freiburger Klöstern vom Ende des 17. bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts ohne Unterbruch ausgeübt. So wurden die Klöster La Fille-Dieu bei Romont sowie Magerau, Visitation und Bisemberg in Freiburg zu Produktionsstätten "schöner Arbeiten", die für eigene Andachtszwecke oder zum Verkauf an Privatkunden bestimmt waren.
Die Andachtskästchen, die von unterschiedlicher Grösse und Form sein können, stellen meist aufwendig gekleidete Wachsfigürchen in verschiedenartigen Landschaften zur Schau, häufig in üppigen Gärten, die zahlreiche kleine Glasfrüchte, Stoffblumen und Tiere oder muschelgeschmückte Grotten enthalten. Am häufigsten sind Szenen aus dem Leben Christi dargestellt: Geburt, Kindheit, Schmerzensmann und Heiligstes Herz Jesu. In einigen grösseren Krippen können weitere Szenen wie die Verkündigung, die Anbetung der Könige oder die Flucht nach Ägypten die verschiedenen Ebenen der Dekoration füllen.
Als Reliquiar gestaltete Paradiesgärtlein umschliessen Knochenfragmente oder heilige Objekte, die in kultisch geprägte Dekorationen oder vor einen Hintergrund mit Schmuckmotiven gesetzt sind. Filigrane Papiere, Steineinlagen oder Glasperlen bilden so einen wertvollen Rahmen für diese Andachtsobjekte.
Gelegentlich stellen sich die Nonnen selber in ihrer Zelle oder im Gebet dar. Diesen «Ersatz» für ihre Person schickten sie als Erinnerung an ihre Familie, um dieser verbunden zu bleiben. Diese berührenden Objekte, die aus heutiger Sicht überraschen mögen, werfen ein Licht auf das von Einkehr und Frömmigkeit bestimmte Leben, für das sich die jungen Frauen entschieden, wenn sie den Schleier nahmen.